Freitag, 20. Januar 2012

Wachstumsimpulse durch 6 Wochen Ferien!

Der Abstimmungskampf zur Initiative "6 Wochen Ferien für alle" ist lanciert. Die klassischen Fronten zwischen links und rechts und Arbeitgebern und Arbeitnehmern spiegeln sich in der Argumentation. Spannend wird die Auslegeordnung im Tourismus als klassische KMU-Branche mit hoher Beschäftigungswirkung einerseits und andererseits sind Ferien die Grundlage des Freizeittourismus schlechthin. Touristischen Verbände wie hotelleriesuisse argumentieren als Arbeitgeber gegen die Initiative, weil höheren Kosten befürchtet werden, flexible privat-rechtliche Lösungen bevorzugt werden (L-GAV) oder sogar Arbeitsplätze abgebaut werden müssten (mehr Ferien=weniger Jobs). Die Initianten ihrerseits verweisen auf die steigende Arbeitsbelastung und Stress am Arbeitsplatz und die dadurch verursachten hohen volkswirtschaftlichen Kosten von rund 10 Milliarden pro Jahr.

Als Touristiker finde ich die Argumentation zu kurz gegriffen und wenig wissenschaftlich und ganzheitlich abgestützt: Leider wurde es von der Tourismusbranche verpasst eine fundierte Studie zu den betriebs- und volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu erstellen. Wie wirkt sich z.B. die Nachfragestimmulierung zusätzlicher Ferien im Tourismus aus? Einige Argumente die zum Überdenken der Positionen anregen soll:

1. Mehr Ferien = mehr Umsatz im Tourismus

Heute werden von Schweizern in der Schweiz fast 16 Mio. Logiernächte in der Hotellerie gebucht. Davon müssten in grober Schätzung 40% Businessreisen abgezogen werden, so dass rund 10 Mio. LN zu Freizeitzwecken in der Schweizer Hotellerie anfallen.  Hinzu kommen mit konservativer Schätzung ca. 15 Mio. LN in der Parahotellerie (genaue Zahlen fehlen hier leider noch mangels statistischer Grundlagen!). Mit den heutigen durchschnittlich 5 Wochen Ferien werden also rund 25 Mio. LN zu Freizeitzwecken von Schweizern in der Schweiz erzeugt. Pro Woche zusätzlicher Ferien fallen also ca. 5 Mio. LN in der Hotellerie und Parahotellerie an sowie eine markante Steigerung des Tagestourismus. Mit einer zusätzlichen Ferienwoche wäre also linear gerechnet ein potentieller Nachfrageimpuls von rund 7-8 % der heutigen Nachfrage bis 2018 möglich. Eingerechnet ist dabei, dass von zusätzlichen Ferien rund 60% im Ausland verbracht werden. Rechnen wir die Tagesausgaben pro Logiernacht von Schweizern mit CHF 120.-/LN so kommen wir auf eine Schätzung von rund 600 Mio. Umsatzeffekt einer zusätzlichen Ferienwoche für den Schweizer Tourismus!  Eine bessere Wachstumsförderung für den Schweizer Tourismus könnte es im rezessiven Wirtschaftsumfeld und dem starken Frankens kaum geben! Eine zusätzliche Ferienwoche in der Schweiz könnte den durch den schwachen Euro verursachten Nachfragerückgang grösten Teils kompensieren.

2. Mehr Ferien = bessere Auslastung und längerer Aufenthalt

Generell werden immer öfter kürzere Ferien gemacht. Mit einer zusätzlichen Ferienwoche könnte diesem Trend entgegengewirkt werden. Schweizer würden also im Schnitt wieder etwas längere Ferien buchen bei entsprechender Preis- und Angebotsgestaltung in der Branche. Zu erwarten wären wohl auch positive Effekte im Alpenraum hinsichtlich besserer Auslastung in Nebensaisonzeiten. Damit haben gerade KMU eine Chance zur besseren Jahresauslastung und Profitabilität!

3. Mehr Ferien = weniger Lohndruck

Mit mehr Ferien nimmt die Attraktivität des Arbeitsplatzes für viele Arbeitnehmer zu. Statt den Weg von jährlichen Lohnerhöhungen zu gehen, könnte es gerade für die Hotellerie und Gastronomie in saisonalen Destinationen sinnvoll sein mehr Ferienzeit in die Wage bei Lohnverhandlungen zu legen. Der Lohndruck nimmt also eher ab! Mit weniger gestressten Mitarbeitern dürften Freundlichkeit, Motivation und Arbeitsproduktivität zudem eher zunehmen. Mit erhöhter Arbeitsflexibilität und Teilzeitstellen könnten zudem auch mehr Einheimische motiviert werden wieder im Tourismus tätig zu werden. Letztlich auch ein Argument die hohe Ausländerquote im Tourismus etwas zu reduzieren.

4. Mehr Ferien = mehr Beschäftigung

Mit der unter Punkt 1 angeführten zusätzlichen Nachfrage steigt der Bedarf an neuen Arbeitskräften und die Beschäftigung im Freizeittourismus dürfte sogar zunehmen und nicht wie im Abstimmungskampf gedroht wird, abnehmen. Ein Teil der zusätzlichen Nachfrage wird die Produktivität verbessern und ein Teil wird Arbeitsplätze erhalten oder zusätzlich schaffen.
Eine Woche Ferien bewirke 2% Lohnkostensteigerung: Die Skaleneffekte und Produktivitätsfortschritte in der Branche durch den Wachstumschub von geschätzten 600 Mio. Franken zusätzlicher Nachfrage, würden diese bei weitem auffangen.

5. Mehr Ferien = Zeit für Bildung

Ferien werden heute zunehmend auch zu Bildungzwecken eingesetzt. Arbeitnehmer dürften mit 6 Wochen Ferien vermehrt Zeit in Weiterbildung und kreative Entfaltung investieren. Seminare und Bildung sind wiederum eine lukrative Nische im Geschäftstourismus für Stadt und Land. Letztlich hätten auch Mitarbeiter im Tourismus mehr Möglichkeiten vom vielfältigen Weiterbildungsangebot zu profitieren.

6. Mehr Ferien = höhere Standortattraktivität

 Neben den realen Löhnen ist auch die Freizeit und Freizeitqualität ein zentraler Standortfaktor im globalen Talent-Wettbewerb. Die Schweiz hat bereits weltweit höchste Löhne - also sollte die Standortattraktivität mehr im hohen Erholungswert des Tourismus und der verfügbaren Freizeit verbessert werden. Die Substitution von Lohnerhöhungen durch zusätzliche Ferien macht Unternehmen global wettbewerbsfähiger und dies nicht zuletzt in KMU- und Tourismusunternehmen.

Eigentlich unverständlich, dass die Tourismusverbände einseitig mit höheren Kosten argumentieren und die Markt- und Nachfragefaktoren fast vollständig in der Argumentation vergessen. Eine seriöse Klärung der positiven und negativen Wirkungen zusätzlicher Ferien auf betrieblicher und volkswirtschaftlicher Ebene aus touristischer Sicht wäre wünschenswert gewesen. Zudem scheint es mir sinnvoller den Tourismus mit zusätzlichen Ferien wettbewerbsfähiger zu machen, statt mit Forderungen wie der MwSt-Befreiung und zusätzlichen Subventionen von Steuergeldern abhängig zu machen. Hoffen wir, dass die Schweizer Bürger und Bürgerinnen bei der Abstimmung mehr Reflexionsvermögen zeigen werden.

Eye-on-tourism